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Bei Fontane gelesen

Ich bin dabei, Fontanes „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ zu lesen, alle fünf Bände. Anfang letzten Jahres, noch bevor sich das Wort „Lockdown“ in unseren Wortschatz gesellte, fiel mir beim Stöbern in einem Antiquariat eine schöne Ausgabe von Teil 3 „Havelland“ in die Hände. Ich habe schon viel von Fontane gelesen, doch seine „Wanderungen“ waren mir immer nur sporadisch begegnet. Dabei sind seine Reiseschilderungen, Landschaftsbeschreibungen und Exkursionen in die Historie grandios. Immer wieder überraschend lebendig, inhaltlich fesselnd, sprachlich formvollendet. Bereits nach dem ersten Kapitel legte ich mir einen Bleistift in die Seiten, um mir besonders schöne Passagen für das Wiederfinden zu markieren.

Zu meinem Geburtstag habe ich mir die Gesamtausgabe schenken lassen. Der erste Teil „Die Grafschaft Ruppin“ ist ausgelesen, derzeit bin ich bei Band 2 „Das Oderland“. Ich habe eine Unzahl von Markierungen gemacht – und sogar einige der geschilderten Schauplätze besucht. Die „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ haben es wirklich verdient, gelesen zu werden. Fontane ist ein unterhaltsamer Weggefährte und gut informierter Plauderer. Ihr werdet ihn mögen.

Ich begleite ihn gerade durch Bad Freienwalde im Oderland. Wir sind an einem Fachwerkhaus angekommen, in dem der Poet und Drechslermeister Karl Weise („Hans Sachs von Freienwalde“) wohnt. Fontane beschreibt, wie er „guten Mutes“ eintritt. Nun folgt der Satz, der mir besonders gefällt. Was er an Eindrücken, Atmosphäre und Bildkraft liefert, ohne dabei überladen zu sein! Wohlgemerkt, es ist ein einziger, nicht einmal sonderlich langer Satz:

Eine Türklingel – nicht eine von den geräuschvollen, die, einmal in Bewegung gesetzt, wie ein bellender Dorfspitz gar kein Ende finden können, sondern eine von den leisen, wohlerzogenen – kündigt unser Eintreten an und eh wir uns noch in dem Halbdunkel, für das die draußen stehenden Linden ausgiebig sorgen, zurechtgefunden haben, erscheint aus der Werkstatt her, wo wir eben noch das Schnurren des Rades hörten, ein stattlicher Mann, hemdsärmelig, in Arbeitskostüm, und sieht uns freundlich fragend an.

Theodor Fontane in „Wanderungen durch die Mark Brandenburg, Teil 2: Das Oderland“

Das ist Sprachgewandtheit. Das gesamte Kapitel ist schön, doch dieser Satz ist eine Klasse für sich. Wenn ihr Lust bekommen habt, gleich noch etwas mehr zu lesen, dann folgt diesem Link: „Hans Sachs von Freienwalde“ bei literaturport.de.

(c) Lutz Schafstädt – 2021
Hier kannst du weitere Fundstücke finden.

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